Vergessene ungarische Märtyrer – Teil 2

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Der folgende Text stammt aus dem Buch „Halálra szántak – mégis élünk!“ („Sie wollten, dass wir sterben – aber wir leben noch!“) des ungarischen katholischen Priesters Ferenc Tomka (Szent István Társulat, 2005), S. 133-135. Diese Priester starben in den ersten beiden Jahrzehnten des Kommunismus in Ungarn. Ich habe die Kursivschrift aus dem Originaltext entfernt und die Fettschrift hinzugefügt. Einige Begriffe werden am Ende des Artikels erklärt.


Der Kanoniker von Vác, Kálmán Széll, musste sterben, weil er das Dekret seines Bischofs ausgeführt hatte, das dem Staat nicht gefiel. Bischof Pétery bei der Ankündigung der ersten Friedenskonvention verbot seinen Priestern, dabei teilzunehmen, weil dies eine Rechtfertigung des unmenschlichen und gottlosen Regimes bedeuten könnte. Nachdem doch einige an der Versammlung teilgenommen hatten, beauftragte der Bischof drei seiner Assistenten – Kálmán Széll, József Brusznyay und György Oetter –, sie zu befragen. Als Vergeltungsmaßnahme wurden alle drei verhaftet. Kállmán Széll starb im Arbeitslager. […]

Ferenc Ács, ein Paulanermönch, versuchte zu fliehen, nachdem er von der Deportation seiner Mitbrüder erfahren hatte. Die Wachen verfolgten ihn und erschossen ihn. Um den Mord zu vertuschen, warfen sie seine Leiche später vor einen fahrenden Zug. Bei der Autopsie wurden bei ihm Schussverletzungen festgestellt.

Jesuitenpater Benjamin Jakab starb im Internierungslager in Kistarcsa.

Gusztáv Gáspár, ein angesehener Religionslehrer aus Budapest, floh nach seiner Entlassung aus der Internierung nach Wien. Die kommunistische Führung hielt ihn für so gefährlich, dass sie einen Agenten schickte, um ihn aus der amerikanischen Zone in Wien in die sowjetische Zone zu locken. Dort wurde er gefangen genommen, nach Hause zurückgebracht und erneut verurteilt. Er starb im Gefängnis von Vác.

József Kelemen Papp (1900-1953) war Lehrer an der Oberschule des Zisterzienserordens in Baja. Einige seiner Schüler gründeten eine christliche Vereinigung. Die weltlichen Führer der Vereinigung wurden hingerichtet, und Pater Papp wurde als Mittäter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, wo er 1953 starb.

József Steurer (1891-1954), Pfarrer von Moson, war ein Seelsorger, der seine Gemeindemitglieder liebte und als „alles für jeden“ bekannt war. Die Kommunisten warnten ihn, er solle die Gemeinde verlassen, weil er ihnen im Weg sei (zu viele Menschen liebten ihn). Weil er seine Gemeindemitglieder nicht in allein lassen wollte, wurde er wiederholt von der Polizei schikaniert und bedroht. Er wurde verhaftet und starb am 7. Januar 1954 in einem Gefängniskrankenhaus in Budapest. Er ist auf dem Friedhof in Rákoskeresztúr, Parzelle 307, begraben.

Die Geschichte vom Tod des Pfarrers Dr. László Zsíros wurde von einem Mitbruder zur Kenntnis gebracht, bevor die letzten Zeugen starben, etwa im Jahr 2000. Die Namen und Geschichten vieler weniger bekannter Märtyrer und Bekenner des Glaubens wurden von den Chronisten des Themas, die oft große Risiken eingingen, nicht einmal aufgezeichnet. Pater Zsíros erhielt die Aufgabe, sich um die Seelsorge in Petőfiszállás-Szentkút zu kümmern, nachdem Ferenc Vezér und die Paulaner deportiert und zum Tode verurteilt worden waren. Bald wurde er von der Polizei bedroht, und 1954 wurde er auf einer Reise nach Budapest von „Unbekannten“ überfallen und verprügelt. Er wurde in das Krankenhaus in der Széher út gebracht (wo, wie für die damalige Zeit typisch, keine Aufzeichnungen über ihn vorliegen) und starb an seinen Verletzungen. Seine Geschichte, wie die vieler ähnlicher Märtyrer, war der Öffentlichkeit bis vor kurzem unbekannt. In seinem Geburtsort Boldog wurde ein Grabmal für ihn errichtet, das jedoch unter dem Kommunismus zerstört und erst nach der Wende wieder aufgebaut wurde. In seiner Gemeinde wird er als Märtyrer verehrt.

[…]

Lajos Kenyeres (1908-1957), der Pfarrer von Tiszavárkony, war ein eifriger Seelsorger, der von seinen Pfarrern und Gemeindemitgliedern sehr geliebt wurde. Von der Kanzel aus protestierte er manchmal unverblümt gegen Angriffe auf das Land und die Kirche. Das kam bei der stark kommunistischen Führung in der Region nicht gut an. Einmal radelte er von einem Religionsunterricht am Ufer der Theiß nach Hause. Er wurde verprügelt, erhielt einen Schuss in den Hinterkopf und wurde in die Theiß geworfen. Man fand sein Fahrrad und sein Rosenkranz blutüberströmt am Ufer der Theiß. Seine Leiche wurde aus der Theiß gefischt und wies Folterspuren auf: Wunden und fehlende Zähne.

[…]

Ferenc Kovács (1932-1958), ein Kaplan aus Gencsapát, der erst drei Jahre zuvor geweiht worden war, wurde von der ÁVH wegen seiner eifrigen und effektiven Seelsorgearbeit wiederholt bedroht. Schließlich schlugen sie ihn bei einem Verhör so schwer, dass er im Krankenhaus an seinen Verletzungen starb. Dies durfte damals – wegen des Verbots und Drohungen der Polizei – nicht veröffentlicht werden.

Nach wiederholten Verhaftungen und Folterungen wurde der Franziskanerpater Béla Hetény Somogyvári (1921-61) zu einem beliebten Lehrer der jungen Leute in Szentendre. Dann begann die ÁVO, ihn erneut zu schikanieren. Ab dem Frühjahr 1961 folgten Schläge und Verhöre in der Andrássy-Straße. Nach einem Verhör nahm die Polizei ihn mit nach Hause. Nachdem die Polizei gegangen war, wurde der Vater an der Türklinke seines Zimmers hängend aufgefunden.

László Szabó (1934-1966), Kaplan von Vác, wurde wiederholt von der ÁVO vorgeladen, verhört und verfolgt und verschwand im November 1966 aus seiner Wohnung. Erst im Januar wurde er tot in einer Höhle im Bükk-Gebirge gefunden. In den sowjetischen Diktaturen war das Verschwinden von Priestern und der Anschein von Selbstmord in allen Ländern üblich.


Begriffe

ÁVH: Államvédelmi Hatóság („Staatsschutzbehörde“, davor ÁVO („Staatsschutzabteilung“)), die Stasi-ähnliche Geheimpolizei in Ungarn während des Kommunismus
„Friedenspriester”: eine von den ungarischen Kommunisten geleitete Bewegung von staatstreuen katholischen Priestern
Andrássy-Straße 60: Sitz der ÁVH in Budapest, heute ein Museum zum Gedenken an die Opfer der vergangenen Diktaturen

Cathedral of Győr, Hungary. Image by István on Flickr under the CC-BY-NC-ND 2.0 license, https://www.flickr.com/photos/i_csuhai/2870279447/

Die Kathedrale von Győr, Ungarn. Bild von Istvan auf Flickr unter der CC-BY-NC-ND 2.0 Lizenz, hier.