Auszüge aus dem Buch „Gemeinden ohne Seelsorger. Der Tod ohne Priester. Die vollkommene Reue. – Ein Lehr- und Trostbüchlein für römisch-katholische Christen.“ Gedruckt in Paderborn 1874. „Mit kirchlicher Approbation.“
Erster Theil. Gemeinden ohne Seelsorger
I. „Stehet fest in Eurem heiligen katholischen Glauben, in Eurer Liebe und Treue gegen die hl. Kirche! Leidet und duldet lieber Alles, als dass Ihr sie und ihre Lehren im Geringsten verleugnet!“
Den Glauben verleugnen heißt Christum verleugnen und sich von der ewigen Seligkeit ausschließen. „Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde auch ich bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater, der im Himmel ist.“ (Matth. 10,32.) Darum erduldeten Millionen heiliger Märtyrer lieber alle Qualen und den bittersten Tod, als daß sie vom Glauben abgefallen wären. Jetzt triumphieren sie ewig im Himmel!
Man darf den Glauben auch nicht zum Scheine verleugnen. In der Verfolgung des Decius kauften sich furchtsame Christen eine obrigkeitliche Bescheinigung, daß sie den Götzen geopfert hätten, obschon sie es in Wirklichkeit nicht getan. Sie wurden den förmlich Abgefallenen gleichgestellt, von der Kirche ausgeschlossen und erst nach jahrelanger öffentlicher Buße wieder aufgenommen. Katholiken! macht euch nicht einer ähnlichen Sünde schuldig durch die Unterzeichnung von Adressen oder sonstigen Schriftstücken, in denen Grundsätze des katholischen Glaubens offen oder versteckt geleugnet werden! Laßt euch kein Zeugnis ausstellen, daß ihr dem Götzen des Zeitgeistes geopfert! „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leitet!“ (Matth. 16,26.)
[…] Katholiken! Die Beobachtung der Kirchengebote, insbesondere des Fasten- und Abstinenzgebotes, ist unter Umständen ein Glaubensbekenntnis, ihre Übertretung eine Glaubensverleugnung. Merkt es euch!
II. „Von einem Priester, der mit Eurem Bischofe und dem obersten Hirten der Kirche keine Gemeinschaft hat, haltet euch fern!“
Die Gemeinschaft in religiösen Dingen mit Häretikern und Schismatikern d. i. mit den durch Irrlehre oder Spaltung von der Kirche Getrennten ist strenge verboten. Sie schließt eine mittelbare Glaubens-Verleugnung, die Gefahr des Abfalls und ein Ärgernis für die Gläubigen in sich. Der Katholik darf also nicht an dem Gottesdienst einer Sekte teilnehmen, vor ihren Geistlichen keine Ehe eingehen, von denselben keine Sakramente empfangen, seine Toten von ihnen nicht beerdigen lassen.
Dieses Verbot gilt unter allen Umständen, auch wenn es sich um die nächste Familie, um Verwandte, Freunde oder Vorgesetzte handelt. Hätte z.B. der Mann, der Vater sich einer Sekte angeschlossen, so dürften die Frau, die Kinder ihn unter keiner Bedingung zum Gottesdienste der Sekte begleiten. Dasselbe gilt, wenn in der Familie oder Bekanntschaft durch einen unrechtmäßigen Geistlichen ein sakramentaler Akt vollzogen, oder für einen Abgestorbenen ein Totenamt gehalten würde. (Die Begleitung eines protestantischen Verstorbenen zum Kirchhof wird als bürgerliche Handlung angesehen und ist erlaubt, weil Niemand daraus auf eine Gemeinschaft im religiösen Bekenntnisse schließen kann.)
Sollten aus der Beobachtung dieses kirchlichen Verbotes etwa in der Familie Unannehmlichkeiten hervorgehen, so erinnere man sich an Jesu ernstes Wort: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt, als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn und Tochter mehr liebt, als mich, der ist meiner nicht wert.“ (Matth. 10,37.)
[…]
Im 16. Jahrhunderte erließ in England die grausame Königin Elisabeth ein Gesetz, daß alle Katholiken Sonntags dem protestantischen Gottesdienste beiwohnen sollten: die es nicht taten, hatten monatlich 20 Pfund Sterling d. i. nach unserm Gelde 400 Mark Strafe zu zahlen! Und doch durften die Katholiken nach einer Entscheidung des Papstes Paul V. dem Gesetze keine Folge leisten, selbst nicht unter dem Vorbehalte, daß die Teilnahme eine rein äußerliche sein sollte. Zur Zeit der französischen Revolution erklärte Pius VI. die Teilnahme an der von einem eingedrungenen Geistlichen vorgenommenen Taufhandlung für unerlaubt.
Bemerkung:
Weil der im Sakrament der Weihe der Seele ausgedruckte unauslöschliche Charakter auch im abgefallenen Priester bleibt, so kann derselbe in der Messe noch Brot und Wein wahrhaft konsekrieren, wofern er Alles richtig macht. (*) Aber unser römisch-katholischer Glaube lehrt, daß eine solche Meßfeier kein Gottesdienst sondern ein Gottesraub sei, nicht eine unblutige, sondern gewissermaßen eine blutige Erneuerung des Kreuzesopfers, nicht eine Quelle des Segens, sondern eine Quelle des Verderbens für den Darbringer, wie für die Teilnehmer. Die von einem solchen Priester in der Beichte erteilte Lossprechung hingegen ist nicht allein unerlaubt, sondern auch ungültig, null und nichtig; denn dieselbe ist nicht bloß eine sakramentale, sondern zugleich eine richterliche Handlung, zu deren Gültigkeit außer der Weihe noch eine besondere Bevollmächtigung (Approbation) erfordert wird, weshalb auch das 4. Kirchengebot bestimmt: „Du sollst zum wenigsten einmal im Jahre einem verordneten Priester deine Sünden beichten.“ Ein abgefallener oder vom Beichthören suspendierter Priester besitzt diese Approbation nicht mehr und kann deshalb nicht mehr gültig absolvieren. So kann auch ein abgesetzter weltlicher Richter kein rechtskräftiges Urteil mehr fällen. Das ein von der Kirche getrennter Bischof diese wie andere geistliche Vollmachten nicht erteilen kann, ist selbstverständlich nach katholischer Lehre und dem Grundsatz: „Niemand gibt, was er selbst nicht hat.“ Ebensowenig kann die geistliche Gewalt seitens des Patrons oder der Gemeinde verliehen werden. […]
Sollte daher jemals an den Katholiken die Frage herantreten, von welchem Priester er die Sakramente empfangen wolle, so würde er mit dem hl. Kirchenvater Hieronymus antworten: „Wer es mit dem Stuhle Petri hält, der ist mein Mann!“
III. „Stärkt Euch dann gegenseitig im Glauben!“
Um im Glauben stark zu bleiben, muss man zunächst Alles meiden, was den Glauben schwächt. Dahin gehört der vertraute Umgang mit unkirchlich gesinnten Personen. Durch solchen Umgang wird eher zehnmal ein Gläubiger verführt, als einmal ein Ungläubiger bekehrt. Dahin gehört auch namentlich das Lesen kirchenfeindlicher Zeitungen. Wieviele, die am Glauben Schiffbruch gelitten, haben dieses Unglück ihrer die Kirche unausgesetzt bald offen bald verdeckt anfeindenden Zeitung zuzuschreiben! […]
Um einander im Glauben zu stärken, müssen die Gläubigen sich gegenseitig durch einen frommen Lebenswandel erbauen und sich enge zusammen schließen. […] Bei Krankheits- und Unglücksfällen müssen Freunde und Nachbarn nach Möglichkeit die Stelle des Priesters vertreten. Sollte Jemand des Glaubens wegen Nachtheil erleiden oder gar Amt und Brot verlieren, dann müssen seine Glaubensbrüder ihm durch Unterstützungen, Zuwendung von Arbeit u.s.w. zu Hülfe kommen. Der Glaube muss ein lebendiger, der Glaubensbund zugleich ein Liebesbund sein. „Daran werden Alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch einander liebt.“ (Joh. 13,35.)
IV. „Erziehet und unterrichtet dann, christliche Eltern, Eure Kinder mit verdoppelter Sorgfalt im katholischen Glauben, damit sie in demselben treu verharren!“
[…]
Unterrichtet sie in den Wahrheiten unserer hl. Religion und zwar um so sorgfältiger, wenn der in der Schule erteilte Religionsunterricht euch Grund zu Besorgnis geben sollte. Lehret eure Kleinen die notwendigen Glaubenstücke und Gebete, erzählet ihnen aus der biblischen Geschichte von der Erschaffung der Welt, vom Sündenfalle, vom lieben Heilande u.s.w. Lasset die Größeren fleißig den Katechismus lernen, überhöret sie und erklärt ihnen das Gelernte, so gut ihr es vermöget. (*) An Sonn- und Feiertagen versammele der Hausvater alle Hausgenossen um sich, um ihnen aus der Handpostille, dem Leben der Heiligen oder aus einem andern Erbauungsbuch einen Abschnitt vorzulesen oder vorlesen zu lassen.
Vor Allem haltet eure Kinder zum Gebete an und gebt ihnen darin selbst ein gutes Beispiel. Christliche Mutter! Laß deine Kinder des Morgens in deiner Gegenwart niederknien und ihr Morgengebet verrichten, laß sie des Abends nicht ohne Gebet zu Bette gehen!
V. [Scheut keine Beschwernis, bei einem rechtmäßigen Priester die heilige Messe zu hören]
Die Kirchengebote verpflichten so lange, als ihre Erfüllung nicht physisch oder moralisch unmöglich wird. Wenn also eine Gemeinde verwaiset ist, in der Nachbarschaft aber noch Priester weilen, so müssen jene Gläubigen, soweit keine rechtliche Verhinderung vorliegt, dort des Sonntags die hl. Messe hören, die hl. Sakramente der Buße und des Altars namentlich um die österliche Zeit empfangen, ihre Ehen abschließen, ihre Kinder taufen lassen. Ist der Weg weit und beschwerlich, dann wird auch der Lohn um so größer sein.
Wenn in der Nähe kein rechtmäßiger Priester sich mehr aufhält, dann macht es vielleicht die Post oder Eisenbahn möglich, wenn auch nicht allsonntäglich, so doch auf höheren Festen eine entferntere katholische Kirche zu besuchen, dort das Osterfest zu halten, eine Ehe einsegnen zu lassen. Ein Geldopfer für eine so große Sache darf nicht gescheut werden; der mit zeitlichen Gütern Gesegnete möge seinen durstigen Mitbruder eine Beihilfe nicht versagen.
[…]
VI. „Erbaut Euch lieber gegenseitig, Ihr christlichen Hausväter, Hausmütter und Hausgenossen, durch gemeinsames Gebet und heilige Lieder und Gesänge, ehe Ihr Euch an sakrilegischen Gottesdiensten betheiligt.“ (Bischof v. Paderborn.)
[…]
Wenn in einer Gemeinde kein öffentlicher (römisch-katholischer) Gottesdienst mehr gehalten wird, dann muß um so mehr die Hausandacht gepflegt werden, also gemeinschaftliches Morgen- und Abendgebet, Lesungen aus der Handpostille, dem Leben der Heiligen, Rosenkranz u.s.w. […]
An die Stelle des sonst vom Priester gehaltenen öffentlichen Gottesdienstes tritt Laien-Gottesdienst. An Sonn- und Feiertagen versammeln sich Diejenigen, welche nicht auswärts dem kirchlichen Gottesdienste beiwohnen können, in ihrer Kirche oder, wenn die Benutzung der Kirche unmöglich ist, an einem andern geeigneten Orte. Einer von den Männern (vgl. 1. Cor. 14,34) wird die Versammlung leiten. Man wechselt ab mit Gesang, Gebet und geistlicher Lesung. […] Nach dem Glaubensbekenntnisse — schön wäre es, wenn die ganze Gemeinde dasselbe laut betete — wird vom Vorsteher der Versammlung die Epistel und das Evangelium des Tages vorgelesen, wozu eine Erklärung aus der Handpostille oder aus einem approbirten Predigtwerke eine Predigt beigefügt werden kann. Mit dieser Andacht werden Fürbitten verbunden für das allgemeine Anliegen der Christenheit, für die bedrängte Kirche, für die abwesenden Bischöfe und Priester; für die Gemeinde, daß alle ihre Mitglieder feststehen mögen im Glauben und in der Liebe und Gnade Gottes, daß sie bald wieder einen Hirten erhalte, wobei der Kirchenpatron und die Heiligen, deren Reliquien in dem Altare (resp. Altären) der Kirche sind, besonders angerufen werden mögen; endlich Gebete für die Kranken, die Sterbenden und Abgestorbenen.
Beim Nachmittags-Gottesdienst kann mit dem Rosenkranze und den in der Gemeinde üblichen Bruderschafts-Andachten abgewechselt werden. Dringend ist von den Oberhirten die Andacht zum göttlichen Herzen Jesu empfohlen. Wo ein Kreuzweg errichtet ist, werde er fleißig nicht nur privatim, sondern auch öffentlich und gemeinschaftlich besucht.
[…]
VII. „Wenn rechtgläubige kirchentreue Priester Euch fehlen, so lasset die Taufe Eurer Kinder von gläubigen Laien vollziehen.“ (Bischof v. Paderborn.)
[…]
Nach Lehre unserer hl. Kirche ist die von einem Laien, ob Mann oder Weib, Katholik oder Irrgläubiger, Christ oder Nichtchrist, richtig gespendete Taufe gültig und im Fall der Not auch erlaubt, ja geboten. Zur gültigen Spendung des Sakramentes sind aber drei Stücke erforderlich:
1) daß man die rechte Materie und
2) die rechte Form anwende,
3) daß man die Absicht habe, zu tun, was die Kirche tut.
1. Die Materie der Taufe ist gesegnetes Taufwasser, in Ermangelung desselben Weihwassers (*) und, wenn keins von beiden zu haben ist, gewöhnliches, reines, natürliches Wasser. […]
2. Die Form d. i. die Worte, mit welchen die Taufe erteilt wird, lauten: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Es darf nichts ausgelassen werden. […]
Die Materie und Form müssen richtig mit einander verbunden werden. Ein und dieselbe Person muss das Wasser aufgießen und die Worte sprechen. Ungültig wäre es, wenn eine Person bloß das Wasser aufgösse und eine andere dabei die Taufformel sagte. Das Aufgießen und aussprechen muss gleichzeitig geschehen, so daß beides eine einheitliche Handlung bildet. Wollte man erst Wasser aufgießen und dann nach einer merklichen Unterbrechung die Worte sprechen, so wäre die Taufe ungültig.
3. Die Meinung. Der Taufende muss die Meinung haben, zu tun, was die Kirche tut. Diese Meinung braucht im Augenblick der Handlung nicht ausdrücklich erweckt zu werden, sondern es genügt, daß sie vorher erweckt worden und der Kraft nach noch fortdauert. Es genügt überhaupt der Wille, das Sakrament der Taufe zu erteilen, da hierin von selbst die Absicht eingeschlossen ist, zu tun, was die Kirche tut.
Die Taufhandlung.
[…] Der Pate oder die Patin hält das Kind bei der Taufe, während der Nebenpate die rechte Hand auf dasselbe legt. Der Taufende nimmt das Gefäß mit Tauf- resp. Weih- oder natürlichem Wasser, gießt aus demselben dreimal über den Kopf des Kindes in Form eines Kreuzes und spricht während des Ausgießens einmal langsam, deutlich und aufmerksam die Worte:
„N. (hier nennt er den Namen des Kindes) Ich taufe dich im Namen des Vaters † (hier gießt er zum ersten Male) und des Sohnes † (hier gießt er zum zweiten Male) und des heiligen † Geistes“ (hier gießt er zum dritten Male).
Eine dreimalige Ausgießung und die Kreuzesform ist zwar zur Gültigkeit nicht erforderlich, aber von der Kirche vorgeschrieben. Das Wasser muss die Haut des Kopfes oder die Stirn berühren und abfließen. Ist es Tauf- oder Weihwasser, so wird es in einem Gefäß aufgefangen und ins Feuer geschüttet.
[…] Sehr passend kann bei dieser Gelegenheit von allen Anwesenden der Taufbund erneuert werden. Der Name des Kindes, Tag und Stunde der Geburt, Name und Wohnort der Eltern, Tag der Taufe, der Name des Taufenden und der Paten sind sorgfältig aufzuzeichnen.
[…] Zu Paten darf man nur solche Personen nehmen, welche (in Ermangelung der Eltern) für die sittliche und religiöse Erziehung des Kindes volle Bürgschaft bieten. Wenn gegründete Zweifel obwalten, ob eine Taufe gültig erteilt worden, so ist dieselbe bedingungsweise zu wiederholen: man tauft wie gewöhnlich, spricht aber dabei die Worte: „N., wenn du nicht getauft bist, taufe ich dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“
[…]
VIII. „Bestattet selbst Eure Verstorbenen unter Gesang und Gebet.“ (Bischof v. Paderborn.)
[…]
Die Leidtragenden begleiten den Sarg zum Gottesacker. Ein Kreuz eröffnet den Zug. Unterwegs wird für den Verstorbenen gebetet. Nach der Einsenkung wird für seine Seelenruhe ein Gebet gesprochen, hierauf für Alle, die auf dem Gottesacker ruhen, und zuletzt um eine glückselige Sterbestunde für denjenigen aus der Versammlung, den der Herr zuerst abberufen wird. Am Grabe, wie auch vorher auf dem Wege dorthin kann ein Lied gesungen werden. An Stelle der Seelemesse wird für den Verstorbenen entweder gleich nach der Beerdigung eine Gebetsversammlung gehalten oder andernfalls wird seiner bei dem gemeinsamen Gottesdienste besonders gedacht. Auf solche Weise finden die Angehörigen Trost und der Verstorbene Ersatz für den Mangel der kirchlichen Feierlichkeiten.
IX. [Über die Eheschließung]
[…]
Das Wesentliche der Eheschließung besteht in der beiderseitigen ungezwungenen, überlegten Einwilligung der Brautleute, dass sie einander gegenwärtig zur Ehe nehmen. Damit aber die Ehe gültig sei, muß sie unter Beobachtung der von der Kirche für ihre Gültigkeit festgesetzten Bedingungen abgeschlossen werden. […] Die sog. Civilehe ist keine kirchlich-gültige Ehe, sondern hat bloß bürgerliche Wirkung. Die Kirche verlangt nun zur Eheschließung:
1) daß zwischen den Brautleuten kein Ehehindernis obwalte oder, wenn ein solches vorhanden, daß es vorher durch kirchliche Dispens gehoben sei;
2) daß die Brautleute ihre beiderseitige Einwilligung in die Ehe in Gegenwart des eigenen Pfarrers und zweier Zeugen erklären.
[Es folgt eine lange Diskussion über verschiedene Ehehindernisse. Einige machen die Ehe unmöglich, wie eine bereits existierende Ehe, oder eine Blutsverwandschaft; andere Hindernisse machen die Ehe unerlaubt, aber gültig (z.B. eine Keuschheitsgelübde oder die Zugehörigkeit zu einer anderen Konfession). Die Kirche kann vom letzteren dispensieren.]
[…]
1. Der Pfarrer [oder der Bischof] muß der eigene Pfarrer [oder Bischof] sein; dies ist er dann, wenn wenigstens einer der Brautleute in seiner Pfarrei wohnt. Wäre derselbe an der Seelsorge verhindert, aber noch (durch eine Reise) bequem zu erreichen, so könnten die Brautleute sich zu ihm begeben.
2. Mit Erlaubniß des Bischofs oder Pfarrers kann die Ehe vor einem andern Priester eingegangen werden.
3. Vor einem Geistlichen, welcher nicht kirchlicherseits, sondern bloß durch die weltliche Obrigkeit als Pfarrer angestellt ist, können keine kirchlich gültigen Ehen geschlossen werden.
So lange es irgend möglich ist, muß ein römisch-katholischer Priester aufgesucht werden. […]
Wie aber, wenn ganze Gegenden ohne Priester wären und auch durch eine Reise ein Priester nicht erreicht werden könnte? Auch dafür ist Rath. Aus wichtigen Gründen nämlich kann der Papst von der Anwendung der Vorschrift des Tridentinischen Concils dispensiren und gestatten, daß auch ohne Gegenwart eines Priesters eine gültige Ehe abgeschlossen werde.
Zur Zeit der schon erwähnten Revolution in Frankreich war daselbst die kirchliche Einsegnung der Ehen durchweg unmöglich. Die meisten Priester waren verjagt, viele ermordet, nur wenige hielten sich noch hier und da versteckt. […] Da erließ Pius VI. i. J. 1793 ein Rescript, worin es heißt : „Da die Mehrzahl der dortigen Gläubigen einen rechtmäßigen Pfarrer überhaupt nicht haben kann, so werden die von ihnen vor Zeugen, ohne Gegenwart eines Pfarrers, eingegangenen Ehen wofern nichts Anderes (d. i. kein Ehehinderniß) im Wege steht, sowohl gültig als auch erlaubt sein, wie von der hl. Congregation der Ausleger des Concils von Trient wiederholt erklärt worden ist.“
Die vom Papste hier erwähnte Congregation (S. Congregatio Cardinalium Concilii Trid. Interpretum) erklärte z.B. am 26. Sept. 1602: „Wenn eine Pfarrkirche vacant, also ohne Pfarrer, und ebenso die Kathedralkirche ohne Bischof und Kapitel ist, welche die Vollmacht haben, einen andern Priester zur Eheschließung zu delegiren (d. i. bevollmächtigen); und wenn auch kein Anderer da ist, der die Stelle des Pfarrers oder Bischofs vertritt: dann ist die Ehe gültig ohne Gegenwart des Pfarrers, wofern die Vorschrift des Concils in dem, worin es möglich ist, beobachtet wird, also wenigstens zwei Zeugen hinzugenommen werden. Wenn zwar der Pfarrer oder Bischof da ist, aber Beide, ohne einen Stellvertreter eingesetzt zu haben, aus Furcht vor den Häretikern sich verborgen halten, so daß man in Wahrheit nicht weiß, wo sie sind; oder wenn sie aus derselben Furcht außerhalb der Diöcese weilen und man zu Keinem von Beiden sicher gelangen kann (si non sit tutus accessus): dann ist die ohne die Tridentinische Form (ohne Pfarrer) abgeschlossene Ehe gültig, wofern jedoch wie gesagt, zwei Zeugen zugezogen werden.“
Unter dem Ausdrucke „Stellvertreter“ ist hier jeder Priester zu verstehen, welcher vom Pfarrer (für die Pfarrei) oder vom Bischofe (für die ganze Diöcese) die Vollmacht zur Einsegnung der Ehen besitzt. Der von der hl. Congregation gesetzte Fall würde also erst dann eintreten, wenn die Brautleute überhaupt zu einem rechtmäßigen römisch katholischen Priester nicht gelangen könnten. Auch wird vorausgesetzt, daß kein Ehehinderniß vorliegt, oder daß es vorher durch Dispens gehoben sei.
[Laut dem gegenwärtigen Kirchenrecht kann der Pfarrer oder der Bischof auch einen Diakon mit der Vertretung beauftragen.]
[…]
Zweiter Theil. Der Tod ohne Priester.
„Sterbende genügen ihrer Gewissenspflicht, wenn sie vollkommene Reue und Leid erwecken.“ (Schweizer Kirchenverordnung)
„In Todesgefahr erwecket, wenn Ihr einen rechtgläubigen Priester nicht haben könnt, einen Akt der vollkommenen Reue, der mit dem Verlangen nach dem hl. Sakrament die Seele von den ihr anhaftenden Sünden reinigt. Wohl ist zu einer solchen vollkommenen Reue die göttliche Gnade erforderlich, aber Gott wird diese Gnade Euch reichlicher geben, wenn Ihr ihn demütig darum bittet.“ (Bischof von Paderborn)
„Wenn Ihr ohne Eure Schuld der heiligen Sakramente beraubt werdet, aber im Glauben fest steht, dann wird Gottes Gnade alles ersetzen.“ (Die vereinigten Oberhirten)
Am schrecklichsten ist für die Gläubigen der Gedanke, nach dem Verlust ihrer Seelsorger ohne die hl. Sakramente sterben zu müssen. Aber tröstet euch nur! Wenn auch gerade auf dem Kranken- und Sterbebett der Mangel eines Priesters am schmerzlichsten wird empfunden werden, so werdet ihr doch ganz gewiß die Krone des ewigen Lebens erlangen, wofern ihr im Glauben feststeht und mit der Gnade Gottes treu mitwirkt. Gott will das Heil aller Menschen und darum gibt er auch allen die hinreichende Gnade dazu: das ist Glaubenssatz. Er hat zwei Arten von Gnadenmitteln angeordnet, durch welche der Mensch die Gnade sich aneignen soll, nämlich die Sakramente und das Gebet. Ist nun der Empfang der hl. Sakramente unmöglich, dann knüpft Gott um so größere Gnaden an das mit dem Verlangen nach den Sakramenten verbundene Gebet; versiegt die eine Quelle, dann wird die andere um so reichlicher fließen. So kann die Wassertaufe durch die Begierde- und Bluttaufe, die wirkliche Kommunion durch die geistliche Kommunion, das Bußsakrament durch die vollkommene Reue ersetzt werden. Dem gemäß lehrt ja auch der Glaube, daß Diejenigen, welche ohne ihre Schuld außerhalb der wahren Kirche stehen, aber die Wahrheit ernstlich suchen und die Gebote halten, gerettet werden. Um wieviel mehr dürfen die treuen Kinder der Kirche Rettung und Heil hoffen! Wer verloren geht, geht nicht durch Gottes Schuld, durch Mangel an Gnade, sondern durch eigene Schuld, durch Mangel an Mitwirkung verloren.
[…]
I. Wie man sich in gesunden Tagen auf den Tod vorbereiten soll
„Wachet, weil ihr nicht wisset, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird!“ Matth. 24,42.
1. Bewahre stets die heiligmachende Gnade, dann bist du wenigstens vor der Hölle gesichert. Fliehe also die schwere Sünde und die Gelegenheit hinzu.
2. Sei fleißig und gewissenhaft in Erfüllung deiner Christen- und Standespflichten. Ein treuer Arbeiter braucht nicht zu erschrecken, wenn er plötzlich vor seinen Herrn gerufen wird.
3. Erfülle solche Bedingungen, wodurch du in der Todesstunde einen vollkommenen Ablass erhalten kannst.
4. Erwecke öfters eine vollkommene Reue über deine Sünden. Über dieses wichtigste Vorbereitungsmittel soll nachher eine ausführliche Belehrung erfolgen. […]
5. Versöhne dich mit deinem Feind, erstatte fremdes Gut, ersetze den angerichteten Schaden soviel als möglich. Ordne deine zeitlichen Angelegenheiten.
6. Bete recht oft um die Gnade eines seligen Todes. Diese wichtige Bitte ist dem Ave Maria beigefügt: „Bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unsers Todes!“ Wer so die Mutter Gottes im Leben viel tausendmal recht herzlich angerufen hat (z. B. im Rosenkranz-Gebet), dem wird sie gewiß im letzten Stündlein beistehen. Gehe auch fleißig zu den hl. Sakramenten, so lange du noch Gelegenheit dazu hast.
[…]
III. Wie man sich zur Zeit der Krankheit und beim Herannahen des Todes verhalten soll.
1. Solltest du in eine ernstliche Krankheit fallen, dann erschrick nicht, sondern erhebe dein Herz gleich zu Gott, ohne dessen Willen kein Haar von unserm Haupt fällt. Was Gott tut, das ist wohlgetan. Krankheiten sind Gnaden, der Tod ist unser Freund, der uns zu Gott ins himmlische Vaterland führt. Ist nicht auch Jesus gestorben? Sind nicht Maria, die Heiligen, die auserwählten alle durch den Tod ins ewige Leben eingegangen?
2. Säume nicht mit dem Empfang der hl. Sakramente, wenn Gelegenheit dazu ist. Ist aber kein Priester zu haben, so setze ein unbegrenztes Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes; erblicke in Gott deinen gütigsten Vater, in Jesus deinen liebevollsten Erlöser, in Maria deine zärtlichste Mutter. Die heilige Beichte und Ölung muss in diesem Fall durch die vollkommene Reue, die heilige Wegzehrung durch die geistliche Kommunion ersetzt werden; der Sterbe-Ablass bleibt, wenn du solche Bedingungen erfüllt hast, für welche derselbe verliehen ist. Erwecke alsdann zuerst und vor Allem eine wahre Liebesreue […] über deine im ganzen Leben begangenen Sünden mit dem Verlangen nach dem hl. Bußsakrament, bitte um Verzeihung durch Jesu Blut und Kreuzestod: dadurch sicherst du dir die heiligmachende Gnade. Solche Reue kann, wie nachher zu zeigen, bloß in Gedanken und in kurzen herzlichen Seufzern erweckt werden. [O]pfere Gott dein Leben auf, erkläre dich bereit zu sterben, wenn es so sein heiligster Wille ist; nimm im Voraus alle Leiden des Todeskampfes wie aus Gottes Hand willig an als Buße für deine Sünden; rufe mit großem Vertrauen den heiligsten Namen Jesus mit dem Munde oder, wenn du es mit dem Munde nicht mehr kannst, doch mit dem Herzen an. […]
3. Hast du noch Verpflichtungen zu erfüllen, z. B. Aussöhnung, Rückerstattung, dann tue es gleich. Ordne auch alsbald deine zeitlichen Angelegenheiten, wenn solches noch nicht geschehen ist. Empfindest du Angst vor dem Tode, weil du deinen Ehegatten, deine Kinder, deine Angehörigen verlassen musst, dann habe Gottvertrauen; empfiehl sie dem himmlischen Vater, er wird für sie sorgen. Kommt dir eine Versuchung gegen den Glauben, dann sprich gleich: „Ich glaube Alles, was die heilige katholische Kirche lehrt, in diesem heiligen Glauben will ich leben und sterben!“ […]
4. Bringe die Zeit deiner Krankheit nicht mit unnützen Gesprächen oder mit einer übertriebenen Sorgfalt für die Gesundheit des Leibes zu. Unterhalte dich mit Gott, sorge für deine Seele. […] Bete die Bußpsalmen, eine Litanei, den Rosenkranz; lies in einem geistlichen Buch oder laß dir daraus vorlesen, besonders vom Leiden Christi.
5. Kannst du dich wegen Schwäche oder Schmerzen nicht viel mit Beten und Lesen anstrengen, dann erhebe um so öfter dein Gemüt zu Gott durch kurze herzliche Seufzer und Stoßgebetlein. […]
Wenn die Kräfte dich ganz verlassen und du nicht mehr beten kannst, dann drücke das Kruzifix fest an dich und rufe wenigstens im Herzen die Namen Jesus und Maria an. […]
O möchtest du im Tode mit Paulus sprechen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt!“ Dann wirst du auch wie er, die hinterlegte Krone der Gerechtigkeit empfangen. „Sei getreu bis in den Tod, spricht der Herr, und ich werde dir geben die Krone des Lebens!“ Geh. Off. 2. – „Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit dir, zu geben einem Jeden nach seinen Werken. Ja, ich komme bald! Amen, ja komm Herr Jesu!“ Das. 22.
IV. Wie man den Kranken und Sterbenden beistehen soll.
In den Kranken wird Christus selbst besucht und getröstet. Dieses Liebeswerk hat eine große Verheißung, denn am Tage des allgemeinen Weltgerichtes wird der Herr zu den Gebenedeiten sprechen: „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“ Matth. 25. […] Den Sterbenden aber zu einem glückseligen Tode verhelfen ist das allerverdienstlichste Werk und zugleich ein höchst wirksames Mittel, um selbst die Gnade eines seligen Endes zu erlangen. […] Der hl. Augustinus sagt : „Hast du eine Seele gerettet, dann hast du deiner Seele die Auserwählung gesichert” […]
1. Ihr müßt dem Kranken behülflich sein in allen seinen Bedürfnissen, in Aufwartung, Reinigung, Pflege, Speise und Trank, Nachtwachen u.s.w. Vor Allem aber sorget für das Heil seiner Seele! Tröstet ihn, ermuntert ihn zum Vertrauen auf Gott, zur Ergebung in den allerheiligsten Willen Gottes. Ermahnt ihn besonders, daß er eine herzliche Reue über alle seine Sünden erwecke und helfet ihm dabei. Laßt ihn ein herzliches Verlangen nach den Sakramenten erwecken, die geistliche Communion üben, und erinnert ihn, wenn die Krankheit ernstlich ist, an den Sterbeablaß. Fraget, ob er noch ein Anliegen auf seinem Gewissen habe, und wenn dem so ist, dann helfet ihm die Sache in Ordnung bringen z.B. Aussöhnung, Rückerstattung u. dgl. […]
2. Alle Sachen, welche dem Kranken Versuchungen bereiten oder doch sein Gemüth zerstreuen könnten, sind aus dem Zimmer zu entfernen […].
3. Bei dem Kranken sollen alle unnützen, eitlen, ganz weltlichen Gespräche vermieden werden. Man suche ihn immer in Vereinigung mit Gott zu erhalten. Während man im Krankenzimmer beschäftigt ist, kann man dem Kranken verschiedene fromme Erinnerungen geben. Wenn man z .B. ihm das Bett bereitet, kann man sagen: „Siehe, du hast noch ein weiches Lager, auf dem du ruhest; Jesus aber mußte am Kreuze in den Nägeln hangen, er konnte nirgends sein dornengekröntes Haupt anlehnen.” […]
4. Man ermahne den Kranken zum Gebete, man helfe ihm beten z. B. eine Litanei, den Rosenkranz, man bete ihm vor, besonders die drei göttlichen Tugenden [Glaube, Hoffnung und Liebe] und Reue und Leid; man lese ihm aus einem geistlichen Buche vor, was für seinen Zustand paßt.
5. Wenn der Zustand des Kranken sich verschlimmert und der Tod herannaht, dann muß die Liebe und Sorgfalt sich verdoppeln. Alle vorwitzigen Zuschauer sind aus dem Sterbezimmer zu entfernen. […]
6. Man halte die Sterbekerze in Bereitschaft und besprenge öfters den Sterbenden mit Weihwasser, wenn solches vorhanden ist. Man bete die Sterbegebete vor. Besonders soll man mit dem Sterbenden die Uebungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, der vollkommenen Reue, des Vertrauens, der Ergebung in den göttlichen Willen und des Verlangens nach dem Himmel erwecken. Beim Vorbeten soll man nicht zu laut reden, um dem Sterbenden nicht beschwerlich zu fallen. Man bete nicht zu schnell und nicht zu viel auf einmal, sondern pause zuweilen, damit der Sterbende Zeit habe, das Gehörte zu überlegen. Man erinnere ihn, daß es genug sei, wenn er im Herzen, in Gedanken nachbetet, und daß er nicht nöthig habe, mit dem Munde nachzubeten. Kurze Stoßgebetchen und herzliche Anrufungen […] eignen sich hierzu am besten[.]
7. Wenn der Sterbende in den letzten Zügen liegt, so spreche man ihm noch die letzten Seufzer der Sterbenden vor, besonders aber rufe man die heiligsten Namen Jesus und Maria oft und herzlich an. Die Bewußtlosigkeit der Sterbenden ist oft nur eine scheinbare; ihre Seele kann dabei innerlich sehr thätig sein . — Ist die Seele abgeschieden, dann empfehle man sie der Barmherzigkeit Gottes.
[…]
Dritter Theil. Die vollkommene Reue eine Gnadenquelle im Leben und ein Rettungsanker im Tode
I. Was ist die vollkommene Reue?
Die Reue ist ein Schmerz der Seele und ein Abscheu über die begangenen Sünden mit dem Vorsatz, in Zukunft nicht mehr zu sündigen. Sie wird eingeteilt in die unvollkommene und die vollkommene Reue. Die unvollkommene Reue entspringt aus Furcht vor der Hölle und vor dem Verlust des Himmels; sie genügt bei der Beichte, wenn ein Anfang von Liebe zu Gott damit verbunden ist. Die vollkommene Reue hingegen, auch kindliche oder Liebesreue genannt, entspringt aus der vollkommenen Liebe zu Gott, sie ist ein herzlicher bitterer Schmerz über die Sünden deshalb, weil wir dadurch Gott, das höchste und liebenswürdigste Gut, beleidigt haben. Die Furcht vor der Hölle und die Hoffnung des Himmels brauchen von der vollkommenen Reue nicht ausgeschlossen zu werden, müssen aber zurücktreten. Der wahrhaft Liebende verlangt nach dem Himmel, um mit dem Gott seines Herzens vereinigt zu werden, und fürchtet die Hölle nur deshalb, weil er dort auf ewig von Gott getrennt sein würde; aus der Größe der Strafe erkennt er die Größe der Gott zugefügten Beleidigung. Der eigentliche Beweggrund seiner Reue aber ist die Liebe zu Gott […]. Aus dieser Liebe entspringt dann ein überaus großer Schmerz, einen so liebenswürdigen Gott beleidigt zu haben, ein wahrer Haß und Abscheu gegen die Sünde und der feste Vorsatz, lieber Alles zu verlieren und selbst den bittersten Tod auszustehen, als Gott durch eine schwere Sünde zu beleidigen, auch alle läßlichen Sünden als Beleidigungen des höchsten Gutes nach Kräften zu meiden, die zur Besserung notwendigen Mittel zu gebrauchen, Buße zu tun und die schlimmen Folgen der Sünde möglichst wieder gut zu machen.
Ein solcher Reueschmerz erfüllte die hl. Maria Magdalena, als sie zu den Füßen Jesu in Tränen zerfloß; den hl. Petrus, da er hinaus ging und bitterlich weinte; den Schächer am Kreuz, als er zu Jesus sprach: „Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!“ Diesen festen Vorsatz hatte der hl. Paulus, welcher beteuerte: „Weder Tod noch Leben, noch irgend eine Kreatur wird mich zu scheiden vermögen von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu.“ Röm. 8; desgleichen der hl. Anselmus, welcher erklärte: „Wenn ich auf der einen Seite einen glühenden Feuerofen und auf der andern eine läßliche Sünde sähe, dann wollte ich lieber in den Ofen gestürzt werden, als Gott durch eine läßliche Sünde beleidigen.“
Die wahrhaft dankbare Liebe, d. h. jene Liebe, welche nicht so sehr an die Gaben, sondern vielmehr an Gott, den Geber, denkt und ihn wegen seiner unendlichen Gütigkeit über Alles liebt, ist eine vollkommene Liebe und darum die aus ihr entspringende Reue auch eine vollkommene Reue. Dasselbe gilt von der kindlichen Liebe. […]
II. Was bewirkt die vollkommene Reue?
Der Mensch kann auf dreifache Weise für schwere Sünden Vergebung erlangen, erstens durch das Sakrament der Taufe, zweitens durch das Sakrament der Buße, drittens durch die vollkommene Reue in Verbindung in Verbindung mit dem Verlangen nach dem Sakrament. Die Kirche lehrt nämlich hinsichtlich der vollkommenen Reue, daß dieselbe verbunden mit dem Verlangen nach dem Sakrament (der Taufe bei den Ungetauften, der Buße bei den Getauften) den Sünder schon vor dem wirklichen Empfang des Sakramentes mit Gott aussöhnt und ihm Verzeihung aller Sünden erlangt. Die vollkommene Reue setzt die vollkommene Liebe Gottes voraus, diese aber und die Ungnade Gottes können nicht zusammen in der Seele bestehen, jene Liebe hebt die Ungnade auf, ihr heftiges Feuer verzehrt die Sünde. Beispiele sind David, Maria Magdalena, Petrus, der Schächer u. A. Von Magdalena sagte der Herr: „Ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat.“ Luk. 7.
Die vollkommene Reue rechtfertigt also den Sünder, und zwar nicht bloß im Notfall und in Todesgefahr, sondern überhaupt und immer, wenn sie nur wahrhaft vorhanden ist. Weil aber im Neuen Bund nach Christi Anordnung jede schwere Sünde der Schlüsselgewalt der Kirche unterworfen werden soll, so muss mit dieser Reue das Verlangen zu beichten verbunden sein. Dasselbe braucht jedoch kein ausdrückliches zu sein, sondern es genügt das in der vollkommenen Liebe von selbst eingeschlossene Verlangen nach dem Sakrament oder überhaupt der feste Vorsatz, Alles zu tun, was Gott verlangt. Das hl. Konzil von Trient lehrt: „Obgleich es zuweilen geschieht, daß die Reue durch die Liebe vollkommen ist und den Sünder schon vor dem wirklichen Empfang des Bußsakramentes mit Gott versöhnt, so lehrt doch der hl. Kirchenrat, daß diese Versöhnung nicht jener Reue allein ohne das Verlangen nach dem Sakrament, welches Verlangen in ihr eingeschlossen ist, zugeschrieben werden darf.“ Konzil von Trient 14. Sitzg. 4 Kap. Wenn man deshalb bei nächster Gelegenheit zur heiligen Beichte gehen: das ist Pflicht, weil Christi Gebot. Dazu nötigt uns auch die Ungewissheit, ob unsere Reue wahrhaft vollkommen gewesen. Ein verschuldeter Aufschub der Beichte nach begangener schwerer Sünde wäre ein ziemlich sicheres Zeichen, daß die Reue, welche man etwa über diese Sünde erweckt hat, nur eine unvollkommene gewesen und die Todsünde nicht getilgt hat.
III. Wann soll man die vollkommene Reue erwecken?
1. Obgleich bei der Beichte die unvollkommene Reue genügt, so sollen wir doch bei derselben die vollkommene zu erwecken suchen. Die Früchte des Bußsakramentes richten sich vorzüglich nach der Reue. Je herzlicher diese ist, um so mehr zeitliche Strafe wird uns zugleich mit der ewigen nachgelassen und ein um so größeres Maß der heiligmachenden und anderer Gnaden uns zugetheilt. Fehlt die Reue aber gänzlich, dann ist die Beichte ungültig. […] Die Reue muß vor der Lossprechung erweckt sein.
2. Rathsam ist es, außer der Beicht öfters vollkommene Reue zu erwecken, etwa jeden Abend oder doch des Sonntags, auch nach Begehung ganz freiwilliger läßlicher Sünden, namentlich wenn wir zweifeln, ob die Sünde eine läßliche oder nicht vielmehr eine schwere gewesen. Zwei Gründe sollen uns dazu veranlassen.
Erstens haben wir niemals zweifellose Gewißheit darüber, ob wir uns im Stande der heiligmachenden Gnade befinden. […] Selbst der große Weltapostel Paulus bekennt von sich: „Ich bin mir zwar nichts bewußt, aber darum noch nicht gerechtfertigt: der Herr ist’s, der mich richtet.“ 1. Cor. 4,4. […] Jedoch soll uns diese Ungewißheit nicht mit Verzweiflung, wohl aber mit heilsamer Furcht erfüllen. „Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern!“ Phil. 2,12. Eine oftmalige herzliche Reue mildert diese Furcht, denn der Psalmist sagt: „Ein zerknirschtes und gedemüthigtes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten.” Ps. 50,18. Die Liebesreue also, wenn sie unser Herz andauernd erfüllt, sichert uns die Barmherzigkeit Gottes und mit ihr unser ewiges Heil.
Aber auch angenommen, daß wir uns im Stande der heiligmachenden Gnade befinden, so sollen wir noch aus einem anderm Grunde oftmals die vollkommene Reue erwecken. Dieser zweite Grund ist ihre große Verdienstlichkeit. Sie erlangt uns Verzeihung der läßlichen Sünden, in welche wir täglich fallen, und mindert die auf uns haftende zeitliche Strafe: dadurch aber verkürzt sie die uns erwartende Fegefeuerstrafe. Auch vermehrt sie in uns die Gnade und Liebe Gottes, stärkt uns zum Guten und trägt so zur Erhöhung unserer zu hoffenden Seligkeit bei. […] Auf Erden kann ja die Liebe Gottes nicht bestehen ohne den Schmerz, diesen liebenswürdigsten Gott so oft beleidigt zu haben: die vollkommene Reue ist gleichsam die irdische Form der vollkommen Liebe.
3. Ganz besonders soll der Christ die vollkommene Reue erwecken, wenn er das Unglück gehabt hat, in eine schwere Sünde zu fallen. Lege dich niemals in einer Todsünde schlafen, du könntest in der Hölle erwachen! Auch ist es Glaubenslehre, daß man im Stande der Ungnade nichts für den Himmel verdienen kann. Solltest du jemals in eine schwere Sünde fallen, dann suche dich alsbald mit dem von dir beleidigten Gott durch eine wahre Liebesreue wieder zu versöhnen. Klage dich deiner Schuld vor ihm an, flehe fußfällig um Verzeihung, bitte um Zeit und Gnade zur Beichte und Bekehrung. […] Man braucht jedoch diesen Schmerz nicht sinnlich zu empfinden, weil die Reue ein geistiger Schmerz, ein Seelenschmerz ist, eine Bewegung nicht des sinnlichen Gefühles, sondern des Willens. Solltest du nun nach einer solchen herzlichen Liebesreue plötzlich ohne die heiligen Sakramente sterben, dann wirst du an Gott einen versöhnten und barmherzigen Richter finden, der dich nicht auf ewig verstoßen wird. Fristet dir aber der Herr dein Leben, dann gehe zur hl. Beichte, sobald du Gelegenheit dazu hast. […]
4. Im Tode endlich ist diese Reue bei schwerer Sünde und in Ermangelung der hl. Sakramente das einzige Rettungsmittel. Wir dürfen vertrauen, daß Gott die dazu erforderliche Gnade Denjenigen verleihen werde, die eines wahrhaft guten Willens sind und keine Gelegenheit haben, zu beichten. Das gilt namentlich von frommen Katholiken, die eines unversehenen Todes sterben, und von jenen Menschen, welche ohne ihre Schuld außerhalb der katholischen Kirche leben und sterben, aber nach Kräften die Wahrheit gesucht und die Tugend geübt haben. Auch ein Irrgläubiger, ein Jude, ein Türke, ein Heide, kann dadurch noch selig werden, daß er auf dem Sterbebette sich zu Gott wendet, mit vollkommener Liebesreue um Verzeihung bittet und zugleich das zu thun und zu empfangen wünscht, was er mit der Gnade Gottes als zum Heile nothwendig erkennt. Gott will ja, daß alle Menschen selig werden, allen bietet er seine rettende Hand und nur, wer sie zurückstößt, geht zu Grunde. Wie nachher zu zeigen, kann die vollkommene Reue mit Hülfe einer besonderen göttlichen Gnade in einem Augenblicke und bloß mit dem Herzen erweckt werden. Die Gnade zündet zuweilen in der Seele plötzlich, wie ein Blitzstrahl. Insofern wir aber Mitwirken müssen, wird uns diese Reue im Tode um so leichter werden, je öfter und herzlicher wir sie im Leben geübt haben. —
IV. Wie kann die vollkommene Reue erweckt werden?
[…] Jeder Mensch, auch der einfältigste und ungelehrteste, auch der größte Sünder, kann und soll sie erwecken, ja unter Umständen hängt sein ewiges Heil davon ab. Andererseits darf man sich diese Reue auch nicht zu leicht denken. Es gehört vielmehr von Seiten des Menschen ein fester entschiedener Wille, von Seiten Gottes eine besondere, eine außerordentliche Gnade dazu. Gott versagt aber diese Gnaden Keinem, der ihn inständig darum bittet und selbst nach Kräften mitwirkt.
Viele Worte tun es nicht, die Reue muss im Herzen sein. Der hl. Franziskus seufzte einstmals eine ganze Nacht zu Gott: „O mein Gott und Alles! O mein Gott und Alles: o du allersüßester mein Gott und alles!“ Das war eine vollkommene Liebe. In ähnlichen kurzen Anmutungen kann die vollkommene Reue erweckt werden. David, welcher sich eines Ehebruches und Mordes schuldig gemacht hatte, sprach nur: „Ich habe dem Herrn gesündigt“, und gleich hörte er von Propheten die Worte: „So hat der Herr auch deine Sünde hinweg genommen.“ 2. Kön. 12. Der Zöllner schlug an seine Brust sprechend: „Herr, sei mir Sünder gnädig“, und er ging gerechtfertigt nach Hause. Lukas 18. Beide hatten in ihrem Herzen eine innige Liebe zu Gott und einen überaus großen Schmerz wegen der Beleidigung, welche sie ihm zugefügt, zugleich mit dem festen Willen, sich zu bessern und genugzutun, obschon sie nicht dieses Alles durch Worte ausdrückten.
Das sicherste Kennzeichen der vollkommenen Reue sind entsprechende Taten, nämlich baldige Beichte, wenn sie möglich, wahrhafte Lebensbesserung, Flucht der Gelegenheiten, Aussöhnung mit dem Nebenmenschen, Bußwerke, Eifer im Gebet, in Erfüllung der Standespflichten, in Ausübung der Nächstenliebe usw. Die vollkommene Liebe und Reue ist kein aufflackerndes und bald erlöschendes Strohfeuer, sondern eine das Herz entzündende und andauernde Glut. Durch öftere Erweckung empfängt die innere Glut neue Nahrung und wird zur Flamme angefacht. Herzliche Reuetränen, wie bei Magdalena und Petrus, sind eine besondere Gnade, aber keineswegs notwendig.
Die vollkommene Reue ist, wie gesagt, eine Gnade, welche durch Gebet und Mitwirkung erlangt wird. Darum bete öfter und mit Inbrunst um eine wahre herzliche Liebesreue. Rufe die heiligen Büßer um ihre Fürbitte an, wende dich an Maria, die Zuflucht der Sünder. Weil man ferner seine Sünden, um sie zu bereuen, erste erkennen muss, so erforsche fleißig dein Gewissen, wo möglich jeden Abend (namentlich über deinen Hauptfehler). Die Selbstprüfung und Selbsterkenntnis wird dir die Augen darüber öffnen, wie zahllose und große Beleidigungen du seither schon deinem Gott zugefügt hast. Strafe dich selbst durch Bußwerke je nach deinen Verhältnissen und der Größe deiner Vergehungen. Solche Werke sind: Fasten oder wenigstens ein kleiner Abbruch in Speise und Trank, Abtötung der Augen, der Zunge, Enthaltung von einem erlaubten Vergnügen, ein Almosen, insbesondere die geduldige Ertragung von Leiden und Beschwerden als Buße für die Sünden. […]
Dieser Text wird unter der Creative Commons Zero Lizenz veröffentlicht. Der ursprüngliche Text wurde in 1874 veröffentlicht.