Veröffentlicht am: 11.10.2021.
Der deutsche Kreationist Dr.-Ing. Werner Gitt ist eine interessante Persönlichkeit. Er schrieb mehrere deutschsprachige Bücher über das Thema Kreationismus. Seine Hauptidee, die große Verbreitung fand, ist, dass Information nur von Information kommen kann. Information ist nicht materiell, sondern geistlich und muss einen intelligenten Ursprung haben muss.
Der Zweck dieses Artikels ist nicht, Gitts Hauptideen zu kritisieren. Was mich hier interessiert ist folgendes: Gitt hat in seinem Buch Fragen, die immer wieder gestellt werden Argumente dargelegt, die seiner Meinung gegen die Zugehörigkeit der sieben deuterokanonischer Bücher zum Kanon sprechen, und ich glaube, dass seine Aussagen ziemlich charakteristisch für Leute sind, die eine 66-Buch-Bibel (protestantische Bibel) benutzen, statt der 73-Buch-Bibel (katholische Bibel). (S. 113-114 in der ungarischen Übersetzung)
Anmerkung: Die katholische Bibel hat 72 Bücher, wenn man den Brief des Jeremia zum 6. Kapitel des Buches Baruch zählt, und 73, wenn man ihn als eigenes Buch zählt.
Hier ist eine Analyse und eine Antwort auf seine Aussagen.
„1. Sie enthalten einige Lehren, die der Bibel widersprechen […] So z.B. die Vergebung der Sünden durch Almosengaben (Tob. 12:9), das Befürworten von magischen Praktiken (Tob. 6:9) Erlangen der Sündenvergebung für Tote durch das Gebet von Lebenden (2 Mak. 12:44)“
Nehmen wir diese der Reihe nach.
Tobit 12:9: „Denn Barmherzigkeit retter vor dem Tod und reinigt von jeder Sünde. Wer barmherzig und gerecht ist, wird lange leben.“ Das ist biblisch, denn in Daniel 4:24 sagt Daniel dem König Nebukadnezzar: „Darum, o König, nimm meinen Rat an: Lösch deine Sünden aus durch rechtes Tun, tilge deine Vergehen, indem du Erbarmen hast mit den Armen. Dann mag dein Glück vielleicht von Dauer sein.“
Tobit 6:9: „Und wenn jemand weiße Flecken an den Augen hat, soll man die Augen mit der Galle bestreichen; so wird er geheilt.“ Wenn das „magische Praktiken“ sind, warum nicht auch diese Szene aus dem Johannesevangelium Kapitel 9, als Jesus einen Blinden heilt. „Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn den Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloah heißt übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.“ (Johannes 9:6-7) Gott kann Wunder sofort bewirken oder auch geschaffene Objekte benutzen. Es gibt hier keinen Konflikt zwischen Tobit und dem Rest der Bibel und Tobit enthält keine falschen lehren.
Das 2. Buch der Makkabäer Kapital 12 war der Grund, wieso Martin Luther die 7 deuterokanonischen Bücher aus dem Kanon entfernen wollte. Im Kapitel geht es darum, dass der Anführer des jüdischen Unabhängigkeitsarmee, Judas Makkabäus, für die Befreiung seines Landes von den Seleukiden kämpft. Der letzte Teil des Kapitels, 12:32-45, beschreibt eine Schlacht gegen „Gorgias, den Befehlshaber der Idumäer“. (12:32) Einige der Soldaten von Judas Makkabäus fielen in der Schlacht. Nach dem Ende der Schlacht entdeckten Judas‘ Soldaten, dass die Gefallenen „Amulette der Götter von Jamnia trugen“. (12:40) „Anschließend hielten sie einen Bittgottesdienst ab und beteten, dass die begangene Sünde wieder völlig ausgelöscht werde.“ (12:42) Und noch fügt der Text hinzu: „Er veranstaltete eine Sammlung, an der sich alle beteiligten, und schickte etwa zweitausend Silberdrachmen nach Jerusalem, damit man dort ein Sündopfer darbringe. Damit handelte er sehr schön und edel; denn er dachte an die Auferstehung. Hätte er nicht erwartet, dass die Gefallenen auferstehen werden, wäre es nämlich überflüssig und sinnlos gewesen, für die Toten zu beten. Auch hielt er sich den herrlichen Lohn vor Augen, der für die hinterlegt ist, die in Frömmigkeit sterben. Ein heiliger und frommer Gedanke! Darum ließ er die Toten entsühnen, damit sie von der Sünde befreit werden.“ (12:43-45) Dies passierte zwar im Alten Testament, wo es noch kein Fegefeuer gab, aber es war auch den Juden im 2. Jahrhundert vor Christus klar, dass man für die Toten beten kann, um die sogennante zeitliche Sündenstrafe zu sühnen. Luther gefiel diese Idee nicht und warf das 2. Buch der Makkabäer und die sechs anderen deuterokanonischen Bücher aus der Bibel.
„2. Sie bildeten nie Teil des jüdischen Kanons, weil es sich um spätere Zusätze handelt.“
Die Juden haben keine Autorität über die christliche Bibel, denn sie lehnen ja das ganze Neue Testament ab. Außerdem: Was wäre, wenn ein Paar Rabbiner morgen erklären würden, dass z.B. das Hohelied nicht Teil der Bibel wäre? Würden wir dem folgen?
„Die Apokryphen waren immer Gegenstand von Debatte.“
Der Kanon der Bibel war in den ersten vier Jahrhunderten der Kirche Gegenstand von Debatte, bis die Kirche das durch das Dekret von Damasus (Papst Damasus I.), die Lokalkonzile von Hippo und Karthago sowie durch das Dekret des Gelasius (Papst Gelasius I.) gelöst wurde. Vor diesen Entscheidungen gab es Christen (!), die z.B. meinten, dass der Erste und der Zweite Johannesbrief oder der Judasbrief nicht Teil der Bibel seien. Andere meinten, dass z.B. der Hirte des Hermas Teil oder der Barnabasbrief der Bibel seien. Sie lagen aber falsch, weil die Katholische Kirche den Kanon der Bibel endgültig entschied.
„Laut dem am Konzil von Trient – in 1546 – als Reaktion auf die Reformation festgelegten Dogma der Katholischen Kirche sind die Apokryphen gleichrangig mit dem Alten und dem Neuen Testament.“
Richtig. Als Reaktion auf die Reformation, die erstmals seit über 1000 Jahren den Kanon der Bibel in Frage stellte, wiederholte die Kirche diese alte Lehre, die in bei den oben genannten Konzilien und Dekreten bereits längst entschieden wurde.
„3. Kein neutestamentlicher Author zitiert diese Bücher, obwohl das Neue Testament, mit Ausnahme vier kurzer Schriften, auf alle alttestamentliche Bücher beruft.“
Erstens, nirgendwo in der Bibel existiert ein Prinzip, dass nur die Bücher Teil des alttestamentlichen Kanons sind, die im Neuen Testament zitiert werden.
Zweitens, 2. Samuel 1,19-27 ist ein Zitat aus dem „Buch des Aufrechten“. Der Judasbrief Vers 9 zitiert Henochbuch 1,9. Beides sind Zitate aus nichtbiblischen Büchern.
Drittens, das Neue Testament zitiert nicht 4, sondern 11 Bücher des Alten Testaments nicht. (Hohelied, Kohelet, Ester, Obadja, Zefanja, Richter, 1. Buch der Chronik, Esra, Nehemia, Klagelieder und Nahum)
„4. Die Apokryphen Schriften halten sich nicht für unfehlbar. Im Vorwort des Buches Jesus Sirach lesen wir: ‚Ihr seid nun aufgefordert, mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit zu lesen. Doch mögt ihr Nachsicht üben, wenn wir vielleicht einige der schwer zu übersetzenden Ausdrücke unbefriedigend widergegeben haben.‘“
Das Vorwort gehört nicht zum Buch Jesus Sirach und nicht zum Kanon. Außerdem hält sich in der zitierten Passage der Übersetzer sich nicht für einen unfehlbaren Übersetzer.
Dokumente
Dekret von Damasus: iteadthomam.blogspot.com/2009/12/decrees-of-st-damasus-i-ad-366-384.html
Dekret von Gelasius: https://www.tertullian.org/decretum_eng.htm