Beginnen wir mit offensichtlichen, beobachtbaren Tatsachen, die belegen, dass es hier etwas Bemerkenswertes gibt.
Begann Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt seinen Namen „Joseph Ratzinger“ wieder zu verwenden? Nein, er hat seinen päpstlichen Namen behalten.
Hat er sich wieder „Kardinal“ genannt? Nein, er hat den Titel „Papst Emeritus“ erfunden.
Hat er auf den päpstlichen Titel „Seine Heiligkeit“ verzichtet? Nein.
Hat er wieder eine schwarze Soutane angezogen? Nein, er behielt seine päpstliche Kleidung (wenn auch ohne die Mozetta).
Hat er den Vatikan verlassen? Nein, er blieb im Kloster Mater Ecclesiae innerhalb des Vatikans.
Und nicht nur das, er erteilte auch den apostolischen Segen (also den päpstlichen Segen) in seinem eigenen Namen, wie der Autor dieser Zeilen hier bereits geschrieben hat. Das kann nur ein Papst tun.
Die letzte Generalaudienz
Bevor wir seine „Declaratio“, in der er „zurückgetreten“ ist, analysieren, werfen wir einen Blick auf seine letzte Generalaudienz am 27. Februar 2013. Darin hat er folgendes gesagt:
„Lassen Sie mich da noch einmal auf den 19. April 2005 zurückkommen. Das Schwere der Entscheidung lag gerade auch darin, daß ich nun vom Herrn immer und für immer beansprucht war. Immer – wer das Petrusamt annimmt, hat kein Privatleben mehr. Er gehört immer und ganz allen, der ganzen Kirche. Sein Leben wird sozusagen ganz entprivatisiert. […]
Das ‚immer‘ ist auch ein ‚für immer‘ – es gibt keine Rückkehr ins Private. Meine Entscheidung, auf die aktive Ausführung des Amtes zu verzichten, nimmt dies nicht zurück. Ich kehre nicht ins private Leben zurück – in ein Leben mit Reisen, Begegnungen, Empfängen, Vorträgen usw. Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn. Ich trage nicht mehr die amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibe ich sozusagen im engeren Bereich des heiligen Petrus. Der heilige Benedikt, dessen Name ich als Papst trage, wird mir da ein großes Vorbild sein: Er hat uns den Weg für ein Leben gezeigt, das aktiv oder passiv ganz dem Werk Gottes gehört.“
Warum verwendet er die Worte „immer“ und „für immer“? Warum fügt er dem, wovon er zurücktritt, immer wieder Einschränkungen hinzu? Er sagt, er lege die „aktive Ausführung des Amtes“ nieder und erwähnt, dass er nicht länger „amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche“ innehabe. Denken Sie auch an die Unterscheidung zwischen aktiv und passiv.
Das Kirchenrecht
Bevor wir uns an die Analyse seiner „Declaratio“ machen, mit der er „zurückgetreten“ ist, sollten wir einen Blick in das offizielle Regelwerk der katholischen Kirche, den Codex des kanonischen Rechtes, werfen. Es gibt zwei Paragraphen, die für das vorliegende Thema sehr relevant sind: Kanon 188 und Kanon 332.2.
Kanon 188: „Ein Verzicht, der aufgrund schwerer, widerrechtlich eingeflößter Furcht, arglistiger Täuschung, eines wesentlichen Irrtums oder aufgrund von Simonie erfolgte, ist von Rechts wegen ungültig.“
„Wesentlicher Irrtum“ ist hier ein Schlüsselbegriff. Damit ist ein Irrtum über den Rücktritt oder seine Folgen gemeint. Wir werden später darauf zurückkommen.
Kanon 332.2: „Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.“
Amt heißt im lateinischen Original „munus“, was ein weiterer wichtiger Punkt ist.
Beachten Sie auch die Ausdrücke am Ende des Textes: „von Rechts wegen“ und „nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird“. Sie bringen zum Ausdruck, dass die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines päpstlichen Rücktritts nicht davon abhängt, was die Bischöfe oder Kardinäle denken.
Die „Declaratio”
Werfen wir nun einen Blick auf die „Declaratio“ von Benedikt. Die beiden Worte aus dem lateinischem Original „ministerium“ (Dienst) und „munus“ (Amt) werden in der deutschen Übersetzung beide mal mit „Dienst“ und mal „Amt“ übersetzt. Ich werde den lateinischen Begriff in Klammern setzen.
„Ich habe euch zu diesem Konsistorium nicht nur wegen drei Heiligsprechungen zusammengerufen, sondern auch um euch eine Entscheidung von großer Wichtigkeit für das Leben der Kirche mitzuteilen. Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewißheit gelangt, daß meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst [munus Petrinum] auszuüben.“
Er verwendet hier also den genauen Begriff.
„Ich bin mir sehr bewußt, daß dieser Dienst [munus] wegen seines geistlichen Wesens nicht nur durch Taten und Worte ausgeübt werden darf, sondern nicht weniger durch Leiden und durch Gebet.“
Warum diese Unterscheidung? Warum wird das Papsttum in eine „aktive“ und eine „passive“ Komponente unterteilt?
„Aber die Welt, die sich so schnell verändert, wird heute durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen. Um trotzdem das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, daß ich mein Unvermögen erkennen muß, den mir anvertrauten Dienst [ministerium] weiter gut auszuführen.“
Hier wechselt er plötzlich von „munus“ zu „ministerium“, was der aktive Teil des „munus“ ist. Er sagt, dass er schwach ist und das „ministerium“ nicht mehr erfüllen kann.
„Im Bewußtsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom [ministerio Episcopi Romae], des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde, zu verzichten, so daß ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr, der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des heiligen Petrus, vakant sein wird und von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden muß.“
Er hat nicht das „munus“ aufgegeben, das er aufgeben musste: das „munus“, das er zu Beginn seiner Rede erwähnt hat!
„Liebe Mitbrüder, ich danke euch von ganzem Herzen für alle Liebe und Arbeit, womit ihr mit mir die Last meines Amtes getragen habt, und ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler. Nun wollen wir die Heilige Kirche der Sorge des höchsten Hirten, unseres Herrn Jesus Christus, anempfehlen. Und bitten wir seine heilige Mutter Maria, damit sie den Kardinälen bei der Wahl des neuen Papstes mit ihrer mütterlichen Güte beistehe. Was mich selbst betrifft, so möchte ich auch in Zukunft der Heiligen Kirche Gottes mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen.“
Dies war der Abschluss von Benedikts Rede.
Einwände
Alle Bischöfe und Kardinäle sagen, dass Franziskus Papst ist, also ist er Papst.
Dies wird manchmal als „universal peaceful acceptance“ bezeichnet. Wenn der Rücktritt jedoch ungültig war und es einen gültigen Papst gab, kann keine noch so große Akzeptanz seitens der Bischöfe und Kardinäle oder der Priester und Gläubigen einen anderen Mann zum Papst machen. Wenn das passieren könnte, würde das bedeuten, dass Gott dem Papst das Papsttum entziehen würde, wenn genügend Menschen anfangen, einen anderen als Papst anzuerkennen. Und wenn jemand ein öffentlicher, offensichtlicher, formaler Ketzer ist, kann ihn keine noch so große Akzeptanz zum Papst machen. Warum? Weil jemand katholisch sein muss, um Papst zu sein.
Außerdem gibt es drei Bischöfe, die öffentlich gesagt haben, dass sie Bergoglio nicht für den Papst halten. Der erste ist René Henry Gracida, der emeritierte Bischof von Corpus Christi in Texas. Auf seiner Website veröffentlichte er diesen Artikel mit dem Titel „I Believe“ (Ich glaube), in dem er erklärt, dass er glaubt, dass Benedikt zum Rücktritt gezwungen wurde und dass er nur „die Jurisdiktionsgewalt, nicht aber die Ordensgewalt“ aufgegeben hat, glaubt aber, dass Bergoglio die Jurisdiktionsgewalt mit Papst Benedikt teilt (der Artikel wurde geschrieben, als Benedikt noch lebte).
Der zweite ist der bekannte Erzbischof Carlo Maria Viganò, der ehemalige Nuntius in den Vereinigten Staaten. Hier ist eine seiner vielen Reden und Artikel, in denen er erklärt, warum er nicht glaubt, dass Bergoglio Papst ist.
Der dritte ist der Pole Jan Paweł Lenga, emeritierter Erzbischof von Karaganda in Kasachstan. In einem seiner Videos erklärte er, dass er Benedikt XVI. als Papst anerkenne und nannte Bergoglio einen „Usurpator und Häretiker“. Er weigerte sich auch, den Namen „Franziskus“ zu erwähnen, wenn er die Messe feiert.
Lenga lädt regelmäßig Videos auf seinen Youtube-Kanal hoch. Seine Videos sind zwar auf Polnisch, aber einige sind mit englischen Untertiteln versehen. Außerdem veröffentlichte er 2021 ein Buch mit dem Titel „Sekta Bergoglio – Potrzebna kontrrewolucja katolicka“ (“Der Bergoglio-Kult – Katholische Konterrevolution nötig“).
Aber alle halten Franziskus für den Papst! Protestanten, Hindus, Atheisten, alle!
Das ist völlig unerheblich. In dieser Diskussion zählen nur die Fakten.
Aber Benedikt ist tot.
Ja, und der Stuhl Petri ist seit seinem Tod vakant.
Das ist Sedevakantismus!
Sedevakantismus ist die Idee, dass Pius XII. (gestorben 1958) der letzte gültige Papst war, so dass zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels der Stuhl seit 65 Jahren vakant ist. Der Glaube, dass das Papsttum für eine kurze Zeitspanne vakant ist, macht einen nicht zum Sedevakantisten. 65 Jahre sind nicht dasselbe wie ein Jahr (zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels)! In der Vergangenheit gab es lange Interregnums (Zeit zwischen zwei Päpsten), das längste war vier Jahre zwischen dem Heiligen Marcellinus (gestorben 304) und dem Heiligen Marcellus (gewählt 308).
Die Leute, die behaupten, dass Benedikt bis zu seinem Tod Papst war, haben sich das nur ausgedacht, um Ausreden für die Handlungen von Franziskus zu finden. Aber es gibt nichts Besonderes an ihm, wir hatten schon früher schlechte Päpste.
Die „schlechten Päpste“ werden so genannt, weil sie ein unmoralisches Leben führten. Das ist bei Bergoglio nicht der Fall: Er ist ein Häretiker, das heißt, er ist gegen den Glauben, den er angeblich vertritt.
Ja, für viele von uns waren Bergoglios Irrlehren der Grund, warum wir uns mit dieser Theorie beschäftigt haben. Aber es gab Leute, zum Beispiel zwei Kirchenrechtsexperten (Arroba und Violi), die schon sehr früh Einwände gegen Benedikts Rücktritt erhoben, wie dieser Artikel des Vatikanexperten Sandro Magister aus dem Jahr 2014 zeigt.
Selbst wenn dies wahr ist, kann man nichts dagegen tun. Wir sollten einfach warten, bis Franziskus stirbt.
Nein, die Bischöfe und Kardinäle sind in der Lage, die Situation zu lösen. Sie sollten das Offensichtliche anerkennen und ein Konklave einberufen. Außerdem hat auch Bergoglio eine unsterbliche Seele: Er sollte zur Buße aufgerufen werden.
Wenn das stimmt, wäre Benedikt dann nicht selbst wegen seiner Ansichten über das Papsttum ein Häretiker gewesen, und hätte sein Amt verloren?
Vergleichen wir Benedikt XVI. und Bergoglio in dieser Hinsicht. Bergoglio hat in Amoris laetitia Häresie veröffentlicht; er wurde in offenen Briefen und Dubia gewarnt, aber er hielt beharrlich an seinen Häresien fest. Benedikt hingegen wurde, soweit wir wissen, nie mit seinen Irrtümern konfrontiert. Hätte ein Bischof oder Kardinal mit ihm über die Situation gesprochen, hätte er es sich wahrscheinlich anders überlegt.
Es ist nicht an uns Laien zu entscheiden, ob Franziskus ein Gegenpapst ist oder nicht. Der nächste Papst oder ein zukünftiges Konzil wird diese Frage klären.
Eines der Dogmen der katholischen Kirche ist, dass die Kirche eine sichtbare Einheit ist: ihr irdisches Haupt ist auch sichtbar. Laien können und sollten ihre gottgegebene Fähigkeit der Vernunft nutzen, um zu erkennen, dass etwas sehr, sehr falsch ist mit einem Papst, der zurücktritt, aber seinen päpstlichen Namen, Titel und seine Kleidung behält, während der nächste so genannte „Papst“ ein Häretiker ist.
Was ist das Problem mit dem Titel „Papst Emeritus“? Kanon 402.1 besagt, dass „[d]er Bischof, dessen Amtsverzicht angenommen wurde, erhält den Titel Emeritus seiner Diözese […]“. Der Titel „Papst Emeritus“ ist so wie „Bischof Emeritus“.
Aus dem Wortlaut von Kanon 402.1 geht klar hervor, dass er nicht für den Papst gilt, da der Papst kein Bischof ist, dessen Rücktritt angenommen werden muss, wie es im oben zitierten Kanon 332.2 heißt. Ein „emeritierter Bischof“ kann nicht mit dem erfundenen Titel „Papst Emeritus“ verglichen werden, denn ein „emeritierter Bischof“ bleibt ein Bischof. Ein „emeritierter Papst“ wäre also immer noch ein Papst…?
Stunden bevor Benedikts Rücktritt wirksam wurde, stand er auf dem Balkon der Residenz Castel Gandolfo und sagte zur Menge: „Ich bin nämlich nicht mehr oberster Hirte der katholischen Kirche, das heißt bis heute abend um 8 Uhr werde ich es noch sein, dann nicht mehr.“ (Link)
Im Kontext mit seiner „Declaratio“, seiner letzten Audienz, seinem Verhalten nach dem „Rücktritt“ usw. gesehen ist die Bedeutung dieses Satzes klar: Er ist nicht mehr der „aktive Papst“.
Das letzte päpstliche Dokument, das Benedikt herausgab, trug den Titel „Normas nonnullas“. (Link) Darin änderte Benedikt die Regeln für Konklaven. Warum tat er das, wenn er nicht zurückgetreten ist?
Benedikt war in einem wesentlichen Irrtum und wollte regeln, wie der nächste „aktive Papst“ gewählt wird. Weder dies noch die obige Aussage Benedikts widerlegen die Theorie, dass Benedikts Rücktritt ungültig ist.
Warum sollte man nicht zu dem Schluss kommen, dass Benedikt zwar gültig zurückgetreten ist, sich aber in dem geirrt hat, was er danach vom Papsttum behalten kann?
Weil nach Kanon 188 ein Rücktritt ungültig ist, wenn der Bischof, der das Amt innehat, in einem „wesentlichen Irrtum“ über den Rücktritt ist.
Seligste Jungfrau Maria, Hilfe der Christen, bitte für uns!
Heiliger Bernhard von Clairvaux, Absetzer von Gegenpäpsten, bitte für uns!
Heiliger Robert Bellarmine, Heiliger Franz von Sales und Heiliger Alphons von Ligouri, bittet für uns!
Heiliger Henry Morse, wahrer Jesuit, bitte für uns!
Heiliger Papst Pius V., bitte für uns!